Wenn Wale ähnliche Flossen haben wie Fische, obwohl sie bei ihnen auf ganz andere Weise, nämlich aus den Gliedmaßen ehemaliger Landsäugetiere entstanden, dann nennt man das in der Biologie eine Parallelevolution. Derselbe Selektionsdruck führt bei verschiedenen Spezies zur Ausbildung ähnlicher Merkmale.
Etwas Ähnliches lässt sich im Moment bei freier Monitoringsoftware beobachten. Den Selektionsdruck erzeugt hier die Sackgasse, in die das klassische Nagios speziell bei größeren Installationen geraten war: Bei einer hohen Anzahl Hosts skalierten die Checks nicht mehr und verursachten horrende Verzögerungen.
Der Ausweg, auf den verschiedene, entfernt verwandte Abkömmlinge gleichzeitig verfallen sind, heißt Modularisierung und Funktionsteilung. Das macht die Nagios-Neufassung Shinken so, das ist das Credo von
»mod_gearman
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, das versucht der Klassiker selbst mit der Einführung von Worker-Prozessen – um nur einige zu nennen. Und nun bricht auch der Nagios-Fork Icinga in diese Richtung auf – mit Icinga2 soll eine grundlegend neue, in C++ geschriebene Version vorerst parallel zur bestehenden entwickelt werden, die die klassischen Nagios-Prozesse wie Service-Checks oder Notifications in unterschiedlichen Kombinationen auf verschiedene Hosts verteilen kann.
Diese Neuigkeit war eines der Highlights der nunmehr siebenten Open Source Monitoring Conference, wie immer hervorragend ausgerichtet vom Nürnberger IT-Dienstleister Netways GmbH. An selber Stelle gab es übrigens auch gleich Neuigkeiten zum bestehenden Icinga 1, dessen letzte Version 1.8 mit mehr als 75 neuen Features und Bugfixes während der Konferenz erschien. Neu sind hier unter anderem ein weiter ausgebautes Reporting, vordefinierte Zeitperioden zur Erleichterung der Konfiguration oder eine neue Berechtigungsprüfung in der Web-GUI, die deutlich performanter ist.
Neues war auf der Konferenz auch von anderen Projekten aus erster Hand zu erfahren. So stellte der Shinken-Chefentwickler Jean Gabes die Fortschritte seines Projekts vor, der Schöpfer des NSClient++, Michael Medin, sprach über das bisher umfangreichste Update auf die Version 0.4.0 in diesem Jahr, und auch Konkurrenzprojekte wie Zabbix hatten Gelegenheit, jüngste Entwicklungen zu präsentieren.
Nicht zu kurz kamen daneben zahlreiche Vorträge, die Best Practices diskutierten. So stellte etwa Martin Loschwitz die Monitoringfähigkeiten des Clustermanagers Pacemaker vor. Simon Meggle demonstrierte das End-to-End-Monitoring von Webapplikationen mithilfe der Testautomatisierungssoftware SAHI. Christoph Mitasch erörterte verschiedene Möglichkeiten des MySQL-Datenbankmonitoring, und Mike Adolphs sprach über einen neuen Ansatz des Behavior Driven Monitoring mit Cucumber-Nagios, bei dem sich komplexe Tests in einer an natürliche Sprache angelehnten Syntax formulieren lassen.
Eine dritte Gruppe von Referaten lieferte instruktive Case Studies. Darunter fanden sich so beeindruckende Vorträge wie der von Christophe Haen über das Monitoring beim Kernforschungszentrum CERN, wo in verschiedenen Projekten jeweils Tausende Server zu überwachen sind, die während der Experimente unglaubliche Datenmengen verarbeiten. So kann man die Menge, die alleine der CMS-Detektor des Large Hadron Collider erzeugt, mit einer Digitalkamera vergleichen, die bei der enormen Auflösung von 70 Megapixeln pro Sekunde 40 Millionen Bilder schießt.
Wie schon in den Vorjahren verdienen die Konferenzorganisation, die Unterbrinung der Teilnehmer, das Catering und auch der Social Event am Abend des ersten Tages ein großes Lob für perfekte Organisation.